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Obergericht Zürich: Mordanklage, Beschuldigter ohne Erinnerung

Die Staatsanwaltschaft wirft einem Mann vor, dass er seine Frau erstochen haben soll: Vor dem Zürcher Obergericht macht er Erinnerungslücken geltend. (Symbolbild)
Foto: KEYSTONE/ENNIO LEANZA
Tötungsdelikt

Beschuldigter macht vor Obergericht Zürich Erinnerungslücke geltend

Im Prozess um die Tötung einer Frau im Oktober 2021 in Zürich Altstetten vor dem Zürcher Obergericht hat der Verteidiger des beschuldigten Ehemannes am Dienstag dem Opfer eine Mitschuld am eigenen Tod zugeschrieben. Er beantragte eine Tatqualifikation als Totschlag.

Der heute 49-Jährige sei unter einer seit langem bestehenden schweren seelischen Belastung gestanden, sagte der Verteidiger. Die Frau habe ihn seit Jahren immer wieder beschimpft, beleidigt und provoziert. Sie sei nicht unschuldig gewesen an ihrem Tod. Dieser Umstand müsse beim Strafmass berücksichtigt werden.

Von der besonderen Skrupellosigkeit, die eine Mordqualifikation erlaube, könne nicht die Rede sein. Der Beschuldigte sei lediglich wegen Totschlags zu verurteilen und mit maximal fünf Jahren Freiheitsentzug zu bestrafen.

Sollte das Gericht die Tat als vorsätzliche Tötung einstufen, so wäre eine Maximalstrafe von 10 Jahren angemessen, sagte der Verteidiger. Bei einem Mordschuldspruch wären maximal 15 Jahre zu verhängen. Auf eine Landesverweisung des anerkannten Flüchtlings, eines türkischen Kurden, sei zu verzichten, allenfalls sei sie von 15 auf maximal 10 Jahre zu reduzieren.

Kritik an Bezirksgericht

Der Verteidiger kritisierte das erstinstanzliche Urteil des Bezirksgerichts Zürich. Dieses hatte den Mann vor einem Jahr wegen Mordes zu einer 20-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt und 15 Jahre Landesverweis angeordnet. Der Beschuldigte habe die Frau nicht gehen lassen wollen. Dem widersprach der Verteidiger: Sein Mandant sei mit der Scheidung einverstanden gewesen.

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Am Bezirksgericht sei eine «ergebnisorientierte» und teils willkürliche Beweiswürdigung erfolgt. Für seinen Mandanten Entlastendes sei bagatellisiert oder gar ignoriert worden. Dass die rund 300 Seiten umfassende schriftliche Urteilsbegründung bereits nach einem Monat vorlag, zeige, dass sie schon im Voraus verfasst worden sei.

Tötungsabsicht bestritten

In seiner Befragung vom Vormittag bestritt der Mann, am Tatabend ein Messer mitgenommen und seiner Frau vor dem Hauseingang aufgelauert zu haben. Er habe sie zufällig beim Vorbeifahren gesehen und mit ihr über die Kinder sprechen wollen. Sie habe ihn einmal mehr aufs Übelste beschimpft. Dann habe er einen Schmerz im Bauch gespürt. Ab da habe er keine Erinnerung mehr.

Laut Anklage tötete er die Frau mit zehn wuchtigen Messerstichen. Anschliessend habe er sich mit dem Messer selbst verletzt. Die Staatsanwältin kommt am Nachmittag zu Wort. Das Urteil wird voraussichtlich am Mittwoch eröffnet.

(sda/joe/zor)

Quelle: ZüriToday
veröffentlicht: 1. Oktober 2024 10:35
aktualisiert: 1. Oktober 2024 14:15