Für 200 Franken Fäkalien spenden? Wie du mit deinem Kot Menschen heilst
Auf Reddit findet man viel Scheiss. Doch letztens fiel beim Scrollen ein Post auf, der zwar davon handelte, es aber nicht war. Ein User suchte für ein Familienmitglied einen Fäkalien-Spender für eine Stuhltransplantation – und bot im Gegenzug 200 Franken an.
Offenbar scheint es in der Schweiz schwierig zu sein, an Fäkalien anderer Personen zu gelangen – auch wenn diese heilend sein können. Der Gastroenterologe Michael Scharl erklärt im Gespräch mit ZüriToday, wieso Menschen ihren Stuhl spenden und was es den Empfängern überhaupt bringt.
Herr Scharl, haben Sie schon einmal gehört, dass Personen Geld anbieten bei der Suche nach einer Stuhlspende?
Michael Scharl: Das ist mir nicht bekannt. Meist kommen die Stuhlspenden von nahen Verwandten der Patienten und Patientinnen.
In welchen Fällen sind Stuhltransplantationen nötig?
Eigentlich macht man eine sogenannte fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT) nur bei Patienten, die im Darm eine Infektion mit Clostridioides-difficile-Bakterien haben und auf Antibiotika mehrmals nicht angesprochen haben.
Aber es gibt auch Patientinnen und Patienten, die aus anderen Gründen an einer Stuhltransplantation interessiert sind. Zum Beispiel, weil sie Blähungen, Depressionen, ein Reizdarmsyndrom oder andere Magen-Darm-Beschwerden haben. Für solche Indikationen wird aber keine Stuhltransplantation durchgeführt – auch wenn es eine Spenderin gäbe. Zu diesen Ursachen gibt es keine wissenschaftlich gesicherten Daten, dass eine FMT hilft. Deshalb wird es nicht empfohlen und am USZ nicht gemacht.
Was sind Clostridioides-difficile-Bakterien genau?
Das an sich ist ein normales Darmbakterium. Bei Patienten und Patientinnen, die sich insbesondere wiederholt Antibiotika-Therapien unterziehen müssen, kann die normale Darmbakterien-Zusammensetzung durch die Antibiotika geschädigt werden. Dadurch überwuchert das Clostridioides-difficile-Bakterium, was zu einer Darmentzündung führt. Diese muss dann wiederum mit Antibiotika gegen das Clostridioides-difficile-Bakterium behandelt werden. Wenn dann aber eine mehrmalige solche Antibiotika-Therapie nicht wirksam ist, empfiehlt sich eine Stuhltransplantation.
Wie wird eine Struhltransplantation gemacht?
Zunächst braucht es eine Spenderin oder einen Spender. Im Idealfall ist das eine möglichst gesunde, junge und bestenfalls nahe verwandte Person. Idealerweise nimmt die Person keine Medikamente und hat keine Vorerkrankungen wie beispielsweise Krebs, keine chronisch entzündlichen Erkrankungen, keinen Bluthochdruck und keine Adipositas. Die Person wird ausserdem auf Infektionskrankheiten wie beispielsweise Virushepatitiden oder HIV im Blut und auf zahlreiche Bakterien, Parasiten und Viren im Stuhl getestet.
Hat man einen passenden Spender gefunden, kann die Transplantation durchgeführt werden. Dabei nimmt man die gesunde Darmbakterien-Zusammensetzung und gibt sie in den Darm der erkrankten Person. Dies funktioniert auf mehrere Arten. Entweder gibt man den verdünnten Stuhl via Sonde in den Dünndarm. Eine andere Variante ist die Transplantation via Dickdarmspiegelung. Dabei wird die Stuhlprobe durch das Endoskop in den Dickdarm gespritzt. Drittens kann man den Stuhl auch trocknen und anschliessend als Kapsel verabreichen.
Durch die FMT regeneriert sich das Mikrobiom bei der erkrankten Person, indem sich die «guten» Darmbakterien im Darm wieder ausbreiten und das «böse» Clostridioides-Bakterium unterdrückt und zurückgedrängt wird. Die Erfolgsraten sind für alle Varianten letztlich vergleichbar.
Wie nachhaltig ist eine Stuhlspende?
Viele Studien zeigen, dass eine Stuhltransplantation schon bei einmaliger Behandlung hilft. Das kann sich jahrelang nachhaltig auswirken. Wenn jedoch wieder erneute Antibiotkagaben notwendig werden, kann die Problematik wieder von vorne losgehen.
Müssen Privatpersonen die Stuhlprobe selber organisieren?
Am USZ mussten bisher die Patienten die Spenderin oder den Spender selber auswählen.
Wie ist die Stuhltransplantation in der Schweiz reguliert?
In der Schweiz gilt die Stuhltransplantation als nicht-standardisierbares Arzneimittel und muss entsprechend zur Zulassung angemeldet werden. Die Sicherheitstestung der Spenderinnen ist daher ähnlich wie bei einer Blutspende. Ausser, dass der Stuhl zusätzlich noch untersucht werden muss. Das ist natürlich ein grosser Aufwand, der mit entsprechend hohen Kosten verbunden ist.
Gibt es zukünftig einfachere Wege als die Stuhltransplantation, um dieses Leiden zu heilen?
In den USA gibt es schon zwei Präparate von Pharmafirmen, die eine Art Stuhltransplantat in Medikamentenform sind. Beide können für die Behandlung einer Clostridioides-difficile-Infektion eingesetzt werden, nachdem Patientinnen auf wiederholte Antibiotika-Behandlungen nicht angesprochen haben.
Das eine Medikament ist ein einmalig zu verabreichender Einlauf, der in den USA im Oktober 2022 die Zulassung erhalten hat. Dieses Medikament sollte voraussichtlich im Sommer auch in Europa zugelassen werden. Das andere Medikament wird in Tablettenform verabreicht. Die Tabletten sollten im April 2023 die Zulassung in den USA erhalten und dann wohl einige Monate später auch in Europa.
Sind Stuhltransplantationen dann überhaupt noch nötig?
Sobald die Medikamente in der Schweiz verfügbar sind, lohnt sich der Aufwand einer FMT wahrscheinlich nicht mehr. Dank der Präparate spart man die Kosten und den Aufwand der FMT-Spender-Suche und -Testung sowie der Stuhltransplantation selbst. Es macht also vieles einfacher.