Flug nach Australien: Holzklasse? Oder doch lieber Business?
Meine Banknachbarin hebt ihre Louis-Vuitton-Handtasche auf und stellt sich in die kurze Schlange. Ich bleibe sitzen, klammere mich an mein Smartphone, scrolle in meiner News-App nervös rauf und runter. Dann folgt der Aufruf zum Boarding.
Zürich Airport, Gate E67: Nein ich fliege nicht zum ersten Mal. Ich leide auch nicht an Flugangst, im Gegenteil: Ich reise sehr gern in luftiger Höhe. Aber heute ists anders: Ich fliege zum ersten Mal Business – eine Klasse, die ich bisher nur vom Vorbeigehen oder aus Filmen kannte. In meinen schwarzen Trainerhosen, lockerem T-Shirt und chilligen Sneakers fühle ich mich fehl am Platz. Nicht weil die anderen Business-Gäste im Anzug oder im Abendkleid kamen. Aber in ihren Markenkleidern von Gucci, Hugo Boss und Co. schauen sie allesamt modischer aus.
Meine Reise führt mich von der Schweiz mit einem kurzen Zwischenstopp in den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Australien. In 20 Flugstunden lege ich knapp 17 000 Kilometer zurück, überquere zwei Weltmeere und dutzende Länder. Beide Etappen lege ich im gleichen Flugzeugtyp (Airbus A380) und mit der gleichen Fluggesellschaft (Emirates) zurück, aber in zwei verschiedenen Klassen: Von Zürich nach Dubai reise ich in der Business-, von Dubai nach Sydney sitze ich in der Economy-Klasse.
Champagner vor dem Abflug
Der Airbus A380 bietet insgesamt 615 Passagieren Platz. Doch von den anderen Gästen kriege ich im oberen Teil des doppelstöckigen Supervogels nicht viel mit, da die Plätze versetzt zueinander sind. Schon bevor der Flieger in Zürich abhebt, halte ich – ganz klischeehaft – einen Champagner in der Hand. Die freundliche Flugbegleiterin Chan ist für mich und eine Handvoll weitere Gäste zuständig. Nach der persönlichen Begrüssung erläutert sie mir die Funktionen des goldigen Bildschirms vor mir, zeigt, wie ich die Mini-Bar zu meiner Linken öffne und erklärt, wie ich den Sitz wahlweise in ein Bett oder in einen Massagestuhl verwandeln kann.
Obwohl ich mich kurz nach dem Abflug um 16 Uhr nicht müde fühle, fahre ich meinen Sitz versuchsweise aus und decke mich mit der flauschigen Decke zu. Erst drei Stunden später und auf halbem Weg wache ich wieder auf. Kurz nachdem ich mich etwas aufgerichtet habe und sich meine Schulterblätter ob der angenehmen Massage entspannen, steht auch schon Chan neben mir. Ich habe das Abendessen verschlafen. Sie könne es aufwärmen und mir an den Platz bringen. Ich lehne dankend ab, begebe mich in den hinteren Teil des Flugzeugs an die Bar, wo andere First- und Businessgäste mit einem Drink in ihrer rechten und einem Häppchen in ihrer linken Hand in Gespräche vertieft sind.
Ich möchte meinen Standardwhisky bestellen, doch den gibts hier oben nicht. Ein stämmiger Mann mit schmalem Haaransatz neben mir verkneift sich ein Lachen und sagt «Versuch doch einmal einen richtigen Whisky.»
Glen, ein Südafrikaner, wohnhaft in London, ist geschäftlich viel mit Emirates in der Business-Klasse unterwegs. Er deutet auf drei Flaschen hinter der Bar und lässt mir je ein Schlückchen in verschiedene Gläser ausschenken. Wenig später schalten sich zwei Frauen Mitte sechzig in unsere Unterhaltung ein. Die wohlhabenden Damen scheinen ihren Gefallen an meiner Unbeholfenheit gefunden zu haben. Mitreden kann ich nicht, wenn sie über ihren Lifestyle oder ihre wohltätigen Spenden prahlen. Aber die Zeit vergeht wie im Flug. Nach zwei Stunden intensiven Zuhörens muss ich zurück an meinen Platz. Notiz an mich: Auch als Business-Gast muss man während des ganzen Landeanflugs sitzen.
Beine strecken in der Economy
Beim Umsteigen in Dubai geselle ich mich am Gate zu den Gästen der Holzklasse. Offenbar habe ich mich bereits an die Annehmlichkeiten gewöhnt, dass es mich nervt, auf dem Boden Platz nehmen zu müssen, weil alle Stühle belegt sind. Im Flieger nach Sydney bin ich 14 Stunden lang zwischen einer Australierin und einem Engländer eingepfercht.
Anders als in der Business-Klasse gibts hier nicht nur vier Sitze pro Reihe, sondern drei Plätze links, vier in der Mitte und drei rechts. Die Kopfhörer, die Decke, der Stuhl – alles ist etwas weniger komfortabel, flauschig oder bequem. Im Gegensatz zur Boeing 777 hat man im Airbus A380 von Emirates drei Zentimeter mehr Platz – das macht mehr aus, als man denkt. Die Beine konnte ich problemlos unter dem Vordersitz durchstrecken.
Wenn man das nötige Kleingeld hat (ein Ticket in der Business-Klasse nach Sydney kostet zwischen 3000 und 4000 Franken), bietet die Business-Klasse sicherlich ein lohnenswertes Reiseerlebnis. Meine letzte Notiz des langen Tages lautet: «Business war cool, aber als gesunder Mensch mit durchschnittlichem Einkommen reicht Economy vollkommen aus.»
von Nicola Imfeld