Kantonsrat ist gegen Kostendeckung für Begleitung intersexueller Kinder
Er folgte damit mit 87 zu 86 Stimmen dem Antrag der Regierung, wobei Ratspräsident Jürg Sulser (SVP) den Stichentscheid fällte.
Die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP) betonte im Rat, dass es im Kanton Zürich ein spezifisches Angebot für intersexuelle Kinder und Jugendliche und ihre Eltern gebe und ausreichende Subventionen die Versorgung sicherstellten.
Die Postulatinnen und der Postulant hingegen hielten es für wichtig, dass die Betreuung intergeschlechtlicher Menschen und ihrer Angehörigen verbessert wird. Ein Bericht sollte darlegen, wie die nicht gedeckten Kosten für die Begleitung übernommen werden können.
Der Bericht sollte insbesondere die psychosoziale und psychotherapeutische Unterstützung, die Förderung von Selbsthilfegruppen sowie die Finanzierung des Shared Decision-Making (SDM) an den Spitälern behandeln.
Bei intersexuellen Menschen wird das körperliche Geschlecht nicht der medizinischen Norm von männlichen oder weiblichen Körpern zugeordnet, sondern bewegt sich in einem Spektrum dazwischen.
Unterstützung «ab der ersten Minute»
Wenn Eltern nach der Geburt von der Hebamme informiert würden, dass bei den Geschlechtsmerkmalen nicht alles so sei, wie man es sich gewohnt sei, kämen viele Fragen auf die Eltern zu, sagte Postulantin Brigitte Röösli (SP, Illnau-Effretikon). Ab der erster Minute nach Geburt seien diese auf Hilfe und Unterstützung und Beratung angewiesen.
Zwar habe sich die Situation, wie nach der Geburt gehandelt werde, in den vergangenen Jahren verändert. «Die Situation bleibt aber anspruchsvoll», sagte Röösli. Noch immer werde heute offenbar viel zu viel viel zu früh operiert. Eine kostenlose psychosoziale und niederschwellige Betreuung sei notwendig. Die nicht gedeckten Kosten bewegen sich laut Röösli im vier- bis fünfstelligen Bereich.
«Komplexe Materie»
Niemand bestreite die Komplexität dieser Materie, sagte Lorenz Habicher (SVP, Zürich). Doch der Regierungsrat zeige in seiner Antwort auf, dass bereits vieles gemacht werde. Auch habe das Zürcher Kinderspital bestätigt, dass nicht mehr zu Operationen gedrängt werde. «Wir sind hier weltoffen genug und müssen nicht ein Postulat unterstützten, um zusätzlichen Aufwand zu betreiben», sagte Habicher im Namen der SVP-Fraktion.
Dass Beratungsleistungen nicht eins zu eins abgegolten würden, sei ein «ernsthaftes Problem», das nicht ignoriert werden dürfe, sagte Astrid Furrer (FDP, Wädenswil). Die FDP-Fraktion aber lehnte den Vorstoss ab. Denn sie hätte es «gerne gesehen», dass sich das Postulat nicht nur auf die ungedeckten Kosten intersexueller Beratungen beschränkt hätte. Doch dies sei von den Postulanten nicht erwünscht gewesen. «Es ist nicht sinnvoll, sich auf eine einzelne Disziplin zu beschränken», sagte Furrer.
Josef Widler (Mitte, Zürich) nannte es ein «ein heikles und emotionales Thema», über das viel gesprochen werde, und über das man wenig wisse. «Wir kennen die Langzeitfolgen der Behandlungen noch nicht», sagte Widler. Es werde keine generelle Lösung geben, es müsse individuell entschieden werden. Die Mitte-Fraktion lehnte den Vorstoss ab.
«Viel Feingefühl»
Die Beratung und Begleitung erfordere «viel Feingefühl», sagte Nathalie Aeschbacher (GLP, Zürich). Damit es zu keiner Stigmatisierung und zu keinem Schamgefühl komme und um Selbsthilfegruppen zu sichern, müsse der Kanton finanziell Unterstützung bieten. Die GLP unterstütze dieses Postulat, «um diesem komplexen Thema gerecht zu werden», wie Aeschbacher sagte.
Unfreiwillige Eingriffe hätten oft langfristige Folgen für das Kind, sagte Jeannette Büsser (Grüne, Horgen) . «Wir müssen uns die Frage gefallen lassen, warum wir das zulassen», sagte sie.
Leider sei die Beratung und Betreuung «unzureichend abgegolten», sagte Michael Bänninger (EVP, Winterthur) im Namen seiner Fraktion, welche das Anliegen unterstützte. Bei der Diskussion gehe es nicht nur um das Kindeswohl, sondern auch um das Wohl der Eltern. Ziel sei es auch, über Intersexualität aufzuklären, diese sichtbar zu machen und einen Beitrag an die Enttabuisierung zu leisten, betonte Nicole Wyss (AL, Zürich).
(sda)