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Extrem-Künstlerin Marina Abramović kommt ins Kunsthaus Zürich

Die Kunst von Marina Abramović macht etwas mit ihrem Publikum, wirft jeden Einzelnen in irgendeiner Weise auf sich zurück.
Foto: EPA/Ramon van Flymen
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Extrem-Künstlerin Marina Abramović kommt ins Kunsthaus

Bei dem Namen Marina Abramović entstehen sofort Assoziationen von spektakulären, lang andauernden Performances. Wenn nun das Kunsthaus Zürich zur ersten grossen Retrospektive der Künstlerin in der Schweiz lädt, dann erwartet das Publikum keine klassische Ausstellung.

«Marina Abramović. Retrospektive» sei eine «alle Sinne ansprechende Erfahrung». Und: Die Besuchenden sind eingeladen zu «Interaktion und direkter Teilnahme», schreibt das Kunsthaus Zürich.

Das soll ganz besonders für die Arbeit «Decompression Chamber» gelten, die Abramović eigens für das Kunsthaus Zürich konzipiert hat. Sie will das Publikum dazu anhalten, für einen Moment innezuhalten – zu dekomprimieren also. Besucherinnen und Besucher sollen sich entspannen und so sich selbst und die Welt neu wahrnehmen.

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Dieser künstlerische Ansatz steht auch für einen Wandel, denn Abramović selbst im Verlauf ihres Schaffens vollzogen hat. In ihren frühen, teils extremen und extrem langen Perfomances hat sie selbst ihre körperlichen Grenzen ausgelotet und das Publikum dazu animiert, diese Erfahrungen mit ihr zu teilen. In ihren neueren Werken hat sich ihr Focus verschoben, hin zu einer mentalen Transformation, wie das Kunsthaus schreibt. Es geht ihr eher um Heilung, um neue Selbsterfahrungen oder «mentale Transformation».

Künstlerin als Objekt

Zum Frühwerk gehört beispielsweise ihre Serie der «Rhythm»-Performances. In «Rhythm 0» 1974 in Neapel etwa hatte sie 72 Gegenstände auf einem Tisch ausgelegt, von einer Rose bis zum geladenen Revolver, die Besucherinnen und Besucher an ihr anwenden konnten. Sie selber verhielt sich während sechs Stunden völlig passiv. Sie deklarierte sich als Objekt. Nach eigenen Aussagen wollte sie herausfinden, wie weit ihr jeweiliges Gegenüber gehen würde.

Eine eindrückliche politische Botschaft vermittelte die 1946 in Belgrad geborene Künstlerin 1997. Am Tiefpunkt der blutigen Balkankriege präsentierte sie einen Berg blutiger Rinderknochen, die sie zu reinigen versuchte.

Oder 1977 in Bologna: Abramović und ihr Lebensgefährte Ulay (1943-2020) standen einander gegenüber – im Eingang des Museums, beide nackt, zwischen sich nur ein enger Durchgang. Besucherinnen und Besucher mussten sich zwischen den beiden hindurchzwängen. Die Künstlerin und der Künstler verstanden ihre Aktion als Metapher dafür, dass sie als Kunstschaffende die Grundpfeiler des Museums sind; Besuchende, die durch diese «Tür» hindurchgehen, betreten eine neue Welt, die der Kunst. «Imponderabilia», nicht einschätzbar, heisst die Performance.

Nur schon diese drei Beispiele zeigen: die Kunst von Marina Abramović macht etwas mit ihrem Publikum, wirft jeden Einzelnen in irgendeiner Weise auf sich zurück. Das sollen nun auch die Besucherinnen und Besucher in Zürich erleben. In der Retrospektive werden Werke aus Abramović' gesamter 55-jährigen Schaffensperiode vorgestellt: Videos, Fotografien, Skulpturen, Zeichnungen - und vor allem einige ihrer ikonischen Performances.

Live reinszenierte Performances

So beispielsweise auch «Imponderabilia». Das Werk ist eines von mehreren, das live reinszeniert wird. Allerdings wird Abramović nicht selber performen. Das überlässt sie mittlerweile lokalen Performerinnen und Performern. Ihr von ihr gegründetes Marina Abramović Institute (MAI) begleitet den jeweiligen Casting-Prozess. Abramović' Idee ist, dass sie ihr Wissen an eine neue Generation weitergeben möchte.

Für die Retrospektive hat das Kunsthaus eng mit der Künstlerin zusammengearbeitet. Zur Eröffnung wird sie selbst anwesend sein. Darüber hinaus ist die Ausstellung in Kooperation mit der Royal Academy of Arts in London, dem Stedelijk Museum Amsterdam und dem Bank Austria Kunstforum Wien entstanden. Flankiert wird sie mit einem umfassenden Rahmenprogramm, sodass Performances teilweise auch ausserhalb des Museums in der Stadt zu erleben sein werden. Darüber hinaus vertieft ein Katalog, der zur Ausstellung in Englisch und Deutsch erscheint, Abramović' Schaffen. Die Ausstellung ist vom 25. Oktober bis 16. Februar 2025 zu erleben.

(sda/osc)

Quelle: ZüriToday
veröffentlicht: 24. Oktober 2024 11:14
aktualisiert: 24. Oktober 2024 13:00