Wie die Bäckerei Täglichbrot zum Treffpunkt in Friesenberg wurde
Es ist ein sonniger Herbstnachmittag. Auf dem Friesenbergplatz ist es ruhig und friedlich. Kinder rennen zum Brunnen und trinken Wasser ab dem Hahnen. Ab und zu läuft jemand mit der Einkaufstasche oder dem Postiwägeli zum Coop. Von der Sonne bestrahlt wehen Fähnchen im leichten Wind über der Bäckerei Täglichbrot.
Eine Bäckerei, geschmückt mit Spezialitäten aus der Umgebung
Nach dem Betreten der Bäckerei grüsst Bahar Wintsch mit einem Lächeln freundlich von der Theke. Sie ist die Betriebsleiterin und führt den Laden operativ. Ihre Art passt zur Bäckerei: Nett, freundlich und irgendwie herzig. Die Bäckerei ist nicht nur ein Geschäft, das Brot, Gipfeli und Zopf verkauft. Vis-à-vis der Theke steht ein Regal, geschmückt mit lokalen Spezialitäten. Ausgestellt sind Tee, Honig, Meringues, Kaffee und Senf von lokalen Produzenten und vielem mehr. Im Regal nebenan gibts Pasta, Saucen, Sirup, Schoggi und weitere Leckereien, die nicht in den üblichen Lebensmittelläden zu finden sind.
«Am Anfang wollten wir nur Brot anbieten, weil das niederschwellig ist. Brot brauchen alle. Aber das Brotgeschäft ist riskant. Deshalb wollten wir die Gesamtmarge mit Produkten, die länger haltbar sind, verbessern», erzählt Peter Heuss. Er ist Co-Präsident von Täglichbrot. So kam zuerst Sorbetto-Glacé zum Angebot dazu, dann immer weitere Waren aus möglichst lokaler Produktion – weil die Nischen-Produkte gut ankommen. «Die Kundschaft schätzt es, dass es hier etwas Spezielles gibt. Wir wollen das Angebot weiter ausbauen und denken stets über neue Produkte nach. Ein Supermarkt möchten wir nicht werden, aber der leere Platz lässt sich noch füllen.»
Gratis Arbeit, damit das Quartier eine Bäckerei und einen Treffpunkt hat
Rund 80 Freiwillige arbeiten hier, um das Geschäft am Laufen zu halten. Die einen kommen zweimal pro Woche, andere einmal im Monat. Am Wochenende liefern Jugendliche mit dem Velo Brotbestellungen aus. Die Koordination und Planung der Einsätze sei dementsprechend eine Herausforderung, sagt Heuss. «Die freiwilligen Mitarbeitenden können sich in Plänen einschreiben. An Samstagen oder vor den Ferien wird es manchmal eng. Aber bis jetzt ist es meistens aufgegangen – ansonsten muss unsere Koordinatorin und Ladenleiterin Bahar Wintsch einspringen.»
Peter Heuss ist aufgestellt und erzählt enthusiastisch vom Quartierprojekt. Ins Rollen kam das Bäckerei-Projekt, als die Familiengenossenschaft Zürich (FGZ) das Quartierzentrum 2017 eröffnete. «Die Idee war von Anfang an, dass in diesen Erdgeschoss-Lokalen Detailhandelsgeschäfte entstehen, die dem Quartier nützen. Es stellte sich jedoch als schwierig heraus, Gewerbetreibende von der Lage zu überzeugen», erzählt Heuss.
Weil keine Bäckerei hinziehen wollte, gründeten zwei Freunde selbst eine
Der Versuch, eine Bäckerei für den Standort zu gewinnen und eine Filiale zu eröffnen, scheiterte. «Über 60 Bäckereien aus Stadt und Umgebung wurden angefragt. Doch niemand wollte hier eine Filiale eröffnen. Dann haben wir gedacht, wir machen selbst eine auf.» Die Idee für die Bäckerei kam Heuss und seinem Partner auf dem Friesenbergplatz selbst. Bald entstand das Konzept eines soziokulturellen Projekts: Ein Ort, der einen konkreten Nutzen für das Quartier hat. Ein Freiwilligenprojekt, an dem Leute teilhaben, sich treffen und kennenlernen können. Eine Bäckerei, welche die Identifikation mit dem Quartier stärkt. Das Konzept ging auf – seit vier Jahren ist Täglichbrot ein Quartiertreffpunkt.
Im vergangenen Jahr zählte die Bäckerei über zehntausend Verkäufe. Topseller ist das Bio-Laugenbuttergipfeli, gefolgt von Café Crème.
Das Brot kommt aus dem Thurgau an den Friesenbergplatz
Gebacken wird am Friesenbergplatz nicht. Die Bio-Beck Lehmann aus Lanterswil im Thurgau bringt jeden Morgen die frischen Brötchen. «Die Bäckerei ist genügend gross, liefert jeden Tag aus und beliefert weitere Läden und Restaurants in Zürich», erwidert Peter Heuss auf die Frage, weshalb eine Bäckerei im Thurgau als Lieferant gewählt wurde. Ausserdem erfülle die Bäckerei die geforderten Qualitätsansprüche und das Bio-Sortiment, gebacken im nachhaltigen Holzofen, habe überzeugt.
Um mehr zu einem lebendigen Quartier beizutragen und Leute zusammenzubringen, finden in der Bäckerei immer wieder Events statt. Bald stehen «Kirschstängeli herstellen» und «Grittibänz backen» an. Seit zwei Jahren gebe es regelmässig solche Veranstaltungen, erklärt Heuss. «Einer unserer grossen Events ist der ‹Pane Mundiale›. Das ist ein Event in Zusammenarbeit mit Quartierbewohnerinnen mit Migrationshintergrund, die Spezialitäten aus ihrem Herkunftsland beisteuern. Wir organisieren einen grossen Markt auf dem Friesenbergplatz, an dem die Besucherinnen und Besucher aus verschiedenen Ländern von Algerien bis Afghanistan Köstlichkeiten probieren können. Es ist schön zu sehen, wie so verschiedene Bevölkerungsgruppen, die sonst vielleicht nicht so viel miteinander zu tun haben, über das Kulinarische zusammenfinden.»
Der Umsatz stimmt, doch mehr Freiwillige sind erwünscht
Der Umsatz entwickelt sich laut Heuss gut, die Bäckerei ist aber noch nicht selbsttragend. Finanzielle Spritzen erhält das Projekt von der FGZ, Stiftungen, Spenden und von kleinen Mitgliederbeiträgen der passiven Vereinsmitglieder. Für die Zukunft wünscht sich Peter Heuss, dass es umsatztechnisch noch etwas aufwärts geht. «Dann könnten wir die Stellenprozente erhöhen. Wir stecken sehr viel Arbeit in diese Bäckerei, dazu gehört auch Buchhaltung und Marketing. Das machen wir zwar gerne, allerdings wäre es etwas entspannter, wenn wir den Anteil selbst erwirtschafteter Mittel noch steigern könnten. Auch über weitere Freiwillige, die mitmachen, würden wir uns sehr freuen.»
Er und sein Co-Präsident Klaus Ammann sind motiviert, das Projekt die nächsten Jahre weiterzuführen. Die beiden wohnen im Quartier und haben sich über die Kinder kennengelernt. Heuss ist in der Kommunikationsbranche tätig, Ammann arbeitet als Wirtschaftsredaktor.
(Maarit Hapuoja)